Kryotherapie │ Kältetherapie │ Erfahrungen Sport │ Kältekammer
Was ist eine Kryotherapie? Leistungssteigerung & Regeneration durch die Kältekammer? Erfahrungen von Sportlern über Funktion & Wirkung der Kältetherapie + Elisas Selbsttest
Der Begriff Kryotherapie klingt erst einmal unheimlich. Doch was ist eine Kryotherapie? Griechisch „kryo“ bedeutet „Kälte, kalt, Frost“, weshalb es sich also um eine Behandlung mittels Kälte handelt. Das Wort Kälte ist zunächst nicht sonderlich positiv besetzt, da es mit Frieren, Gänsehaut und Unbehagen assoziiert wird. Da auch ich zu den anonymen Frostbeulen gehöre, war ich zu Beginn äußerst skeptisch, mich mit dem Thema auseinander zu setzen und mich dann auch noch freiwillig für drei Minuten in eine -110°C kalte Kältekammer zu begeben. Mit Kryotherapie verbinden die meisten bisher nur Themen wie Abnehmen und Gewichtsreduktion. In diesem Artikel möchte ich die Kältetherapie aber aus Sportler-Sicht betrachten. Kryotherapie kann nämlich noch viel mehr…
Was ich in meinen Recherchen über die positiven Wirkungsweisen der Kältetherapie herausgefunden und welche verblüffenden Erfahrungen ich während meines Selbsttests gemacht habe, erfahrt ihr im folgenden Artikel.
- Was ist Kryotherapie?
- Was bringt das?
- Wirkung auf den Körper
- Kryotherapie im Sport
- Erfahrungen von Sportlern
- Erfahrungen meines Tests
Was ist eine Kryotherapie?
Kryotherapie umfasst zunächst ein ganzes Spektrum verschiedener Kälteanwendungen, bei denen niedrige Temperaturen eingesetzt werden, um positive Effekte für den Körper zu erreichen. So gehören Behandlungen mittels Kälte bereits seit der Antike zu medizinischen Zwecken angewendeten, sogenannten Thermotherapien. Dabei wird zwischen einer lokalen und einer Ganzkörperkryotherapie unterschieden, denen die Ausnutzung des Temperaturunterschieds zwischen Körper und Umwelt oder kühlem Objekt gemein ist, um eine bestimmte Stelle oder den gesamten Körper abzukühlen. Eine lokale Kältetherapie hat sicherlich jeder von uns schon einmal intuitiv angewendet: bei Verbrennungen die Hand schnell unters kalte Wasser halten, bei einer Verstauchung den Knöchel kühlen, bei einer Beule einen Eisbeutel auflegen. Bei einer lokalen Kälteanwendung ziehen sich in den ersten fünf bis zehn Minuten zunächst die oberflächlich liegenden Gefäße und bei längerer Anwendungsdauer auch die in darunter liegenden Schichten zusammen, sodass die Durchblutung vermindert wird. Durch die gehemmte Blutversorgung werden auch die Einlagerung von Flüssigkeit und die Bildung von Ödemen verringert, was auch das Auftreten von Entzündungen vermindert. Außerdem werden Gewebe mit zunehmender Abkühlung immer schmerzunempfindlicher, sodass das Schmerzempfinden herabgesetzt werden kann. Dazu trägt zudem auch die Herabsetzung der anfänglich zunehmenden Muskelspannung bei. So werden lokale Kryotherapien also vor allem bei Verletzungen und Schmerzen wie Prellungen, Verstauchungen, dauerhaft erhöhter Muskelspannung, Knochenbrüchen oder nach Operationen angewendet.
Neben diesen lokalen, bereits bekannten Kältebehandlungen gibt es seit den 1980ern auch die Ganzkörperkältetherapie, die erstaunliche Wirkungen für den gesamten menschlichen Organismus mit sich bringt und derzeit Gegenstand weitreichender Forschung darstellt. Wie das funktioniert und was es damit auf sich hat, erfahrt ihr im folgenden Abschnitt.
Kryotherapie in der Kältekammer – Was bringt das?
Der bekannteste deutsche Vorläufer der Ganzkörperkältetherapie ist Sebastian Kneipp, der z.B. kurze Vollbäder in eiskaltem Wasser sowie den Wechsel von Hitze und Kälte wie bei Wechselduschen oder Saunagängen mit anschließendem Schneetreten empfahl und bis heute angewendet werden. Ich erinnere mich nur zu gut an die Erlebnisse als Kind bei der Oma meiner Nachbarin, die bis heute eine begeisterte Verfechterin der Kneipp-Medizin und immer noch topfit ist. Wir mussten damals alle zusammen in die hauseigene Sauna und gleich danach raus in den Schnee, um nackig Schneeengel zu formen. Schön war es nicht, aber geschadet hat es uns auch nicht. Krank sind wir davon nie geworden und mit Sicherheit haben diese Aktionen zur Stärkung unseres dörflichen Immunsystems beigetragen. Auch wenn Kälte zunächst als unangenehm empfunden wird, trägt sie letztendlich doch paradoxerweise zur Gesundheit und sogar zur Leistungssteigerung bei.
Starke Kälte stellt zunächst einen Stressfaktor für den menschlichen Organismus dar, der physiologische Reaktionen hervorruft und langfristig gesehen zu Adaptions-, also Anpassungserscheinungen, führen kann. Systematisch eingesetzte Ganzkörperkältetherapien gibt es im klinischen und rehabilitativ-medizinischen Bereich seit etwa 30 Jahren. Die heutige Anwendungsform wurde in den 1980ern in Japan zunächst zur Behandlung von Rheuma eingeführt, um die krankheitsbedingten Schmerzen des Bewegungsapparats zu lindern. Neben medizinischen Anwendungsfeldern wie bei Gelenkerkrankungen, chronischen Schmerzen oder Verletzungen wird die Ganzkörperkältetherapie heute auch als Wellnessanwendung oder im sportlichen Bereich zur Leistungssteigerung und Regeneration zunehmend eingesetzt, wozu auch immer mehr wissenschaftliche Studien veröffentlicht werden.
Wie funktioniert die Anwendung und wie ist die Wirkung auf den Körper?
Die Kryotherapie für den ganzen Körper erfolgt in speziellen Kältekammern, die anwendungsspezifisch im Temperaturbereich zwischen -60°C und -150°C arbeiten. Da Forschungsergebnisse auf eine optimale Behandlungstemperatur von -110°C bei zwei bis drei Minuten hindeuten, setzt sich eine dementsprechende Anwendung zunehmend durch (vgl. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009). Durch die recht kurze Dauer (die einem aber dann doch ganz schön lange vorkommen kann) wird möglichen Folgen durch unterkühlte Gewebepartien vorgebeugt – also keine Angst vor neuen Erfahrungen mit Kälte. Im Gegensatz zu lokal angewendeten Kältebehandlungen wirkt die Ganzkörperkryotherapie nicht nur an einer bestimmten Stelle, sondern beeinflusst den gesamten Organismus und ruft auf nerval-reflektorischem Wege, also durch unbewusste Nervenreflexe, eine ganze Reihe von Reaktionen hervor. Was passiert dabei?
Zunächst kommt es zu kurzzeitigen Reaktionen, die bis zu mehreren Stunden anhalten können. Durch die extreme Kälte sinkt die Temperatur der Hautoberfläche auf Werte um die 5°C ab. Dieser „helle Schmerz“ ist dafür verantwortlich, dass „dumpfer Schmerz“ von Verletzungen, chronischen Entzündungen oder Verspannungen überlagert wird, da die Kälteeinwirkung die Schmerzleitung in erster Linie blockiert. Diese Schmerzbefreiung kann bis zu einigen Stunden nach der Behandlung anhalten und kann darüber hinaus bei wiederholter Anwendung zu langfristiger Schmerzlinderung bzw. -befreiung führen. Ein besonderer Vorteil der Ganzkörperkältetherapie besteht in der Linderung chronischer Schmerzen. Nach medizinischen Forschungsergebnissen (vgl. Sandkühler, 2001) bildet sich bei chronischen Schmerzen ein sogenanntes Schmerzgedächtnis heraus, wodurch bereits geringe Schmerzen heftige Reaktionen an der betroffenen Stelle hervorrufen können – so wie bei mir mit meinen mehrjährigen Problemen an meiner Achillessehne. Durch die Ganzkörperkryotherapie kann dieses Schmerzgedächtnis desensibilisiert werden, was im besten Fall zur Heilung chronischer Schmerzen führt. Neben dieser Beeinflussung von Schmerzgefühlen kommt es weiterhin zu Reaktionen des Immunsystems mit einer entzündungshemmenden Wirkung, weshalb sich Kältekammeranwendungen auch bei chronischen Entzündungen, Rheuma, Neurodermitis und Schuppenflechte eignet (vgl. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009). Die Bedeutung der rehabilitativen Ganzkörperkältetherapie für die kurz- und langfristige Schmerzlinderung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen konnte in wissenschaftlichen Studien z.B. von Metzger et. al (2000) und Braun et. al (2009) belegt werden. Die „entzündungshemmende und schmerzlindernde/-befreiende Wirkung ist klinisch zweifelsfrei erwiesen“ (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009, S.12f.).
Neben dem zunehmenden medizinisch-rehabilitativen Einsatz der Ganzkörperkältetherapie wird auch der Bereich Sport als Anwendungsgebiet zur Leistungssteigerung und Regeneration immer populärer. Gerade im Leistungssport können Athleten von den physiologischen Wirkungen der Kryotherapie in Kältekammern profitieren. Wie das gehen soll, erfahrt ihr im Folgenden.
Kryotherapie im Sport – Leistungssteigerung & Schnellere Regeneration
Als ich das Kryotherapie-Zentrum „esquimaux“ für meine Kältetherapie in Jena besuchte, wurde mir gleich davon berichtet, dass beispielsweise auch die Badminton-Mannschaft SV GutsMuths Jena zur regelmäßigen Anwendung in der Kältekammer vor ihren Spielen kommt, um ihre Leistungen zu steigern und um sich fitter und vitaler zu fühlen. Dem musste ich natürlich erst einmal nachgehen. Was sagt die Forschung? Was bewirkt diese kurzzeitige Einwirkung extremer Kälte?
Dazu müssen wir uns zunächst erst einmal die menschliche Thermoregulation näher betrachten. Darunter versteht man die körpereigene Regulation von Wärmeproduktion und Wärmeabgabe, um ein gewisses Temperaturgleichgewicht aufrecht zu erhalten. Wir Menschen gehören zu den homoiothermen Lebewesen mit einer weitgehend konstanten Körperkerntemperatur von ca. 37°C, während unsere Haut größeren Temperaturschwankungen unterliegen kann. Bei Wärmeüberschuss hat der menschliche Körper vier Möglichkeiten der Wärmeabgabe: Konvektion (also der Wärmetransport via Blut von einem Ort zum anderen), Konduktion (Wärmefluss durch Temperaturgefälle im Gewebe), Strahlung und Evaporation. Letzteres bedeutet das Verdunsten von Wasser, was im sportlichen Bereich durch das Schwitzen von besonderer Bedeutung ist. Bevor wir allerdings schwitzen, geschieht die Thermoregulation über die Konvektion, also den Blutfluss. Um den Körperkern abzukühlen, wird unsere Peripherie, also Arme und Beine und vor allem die Haut, stärker durchblutet. Diese erhöhte Hautdurchblutung ist allerdings von Nachteil für unsere Muskeln, die ja auch ordentlich mit Blut und Sauerstoff versorgt werden müssen. Insbesondere im Ausdauersport muss die durch längerfristige körperliche Arbeit erzeugte Wärme mit erheblichem regulatorischem Aufwand heruntergekühlt werden. Bei intensiven Ausdauereinheiten braucht unser Körper dazu ca. 75% der energetischen Prozesse für die Kühlung, sodass also nur noch 25% für die eigentliche muskuläre Arbeit zur Fortbewegung zur Verfügung stehen. Herrschen hinzukommend noch hohe Außentemperaturen, kann man von einem regelrechten Energieverlust durch das Aufrechterhalten des Thermogleichgewichts sprechen als leistungslimitierenden Faktor.
Nun stellt sich die Frage, welchen Beitrag Kältebehandlungen zur sportlichen Leistungsfähigkeit gerade im Bereich des Hochleistungssports beitragen können. In verschiedenen Studien wurden Kryotherapien in Form von Kühlwesten, die während der Erwärmung und/oder in kurzen Belastungspausen getragen wurden, oder als Pre-Cooling in Kältekammern getestet. Zu den Ergebnissen zählen niedrigere Laktatwerte (Laktat ist ein Stoffwechselprodukt, das früher oder später zum Leistungsabfall führt) während der Ausdauerbelastung sowie niedrigere Herzfrequenzen, wodurch es insgesamt zu besseren Ergebnissen, also z.B. höheren Laufgeschwindigkeiten oder einer größeren Laufstrecke, im Vergleich zur Testgruppe ohne kryotherapeutische Maßnahmen kam. Es konnte also nachgewiesen werden: Eine Kältebehandlung fördert „die sportliche Leistungsfähigkeit und führt zu messbaren Leistungsverbesserungen im Ausdauerbereich“ (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009, S.32). Verständlich also, dass die Jenaer Badminton-Mannschaft diese positiven Effekte der Ganzkörperkältebehandlung für ihre Wettkämpfe nutzt. Pre-Cooling bedeutet jetzt allerdings nicht, dass auf eine Erwärmung im Sinne einer Vorbereitung der Gelenke, Sehnen und Muskeln verzichtet werden sollte, sondern eher, dass ein Anstieg der Körperkerntemperatur gerade bei Ausdauersporteinheiten vermieden werden sollte, da dies als eines der entscheidendsten Leistungsabbruchkriterien angesehen werden kann. Neben den Effekten des Pre-Coolings VOR einer sportlichen Leistung stehen auch regenerative Eigenschaften einer Kältebehandlung im Fokus der sportwissenschaftlichen Forschung.
Gerade bei hohen Temperaturen ist eine schnelle Regeneration, wie es z.B. in einer Halbzeit beim Fußballspiel der Fall ist, gehemmt. Die kurzfristig, muskulär entspannende Wirkung von Wärme ist zwar bekannt, allerdings steht diese der hohen thermoregulatorischen Beanspruchungen des menschlichen Organismus entgegen, sodass eine Wärmeanwendung zur kurzfristigen Regeneration ihren Zweck weitestgehend verfehlt. Wenn es um eine schnelle Pausenregeneration geht, wie es ja eigentlich in allen Sportspielen der Fall ist, kann eine richtig angewendete Kältebehandlung zur Leistungssteigerung durch eine effektivere Regenration führen. „Bessere Wärmeabgabebedingungen bedeuten indirekt eine Steigerung der Leistungsfähigkeit“ (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009, S.50). Aber auch über eine Kälteanwendung in kurzen Spielpausen hinaus, können positive Effekte auf die generelle Regenration festgestellt werden. So berichten beispielweise deutsche Stabhochspringer über ihre Erfahrungen in der Kältekammer während ihres Trainingslagers: „Durch den Aufenthalt in der Kältekammer wird die Regenerationszeit verkürzt. Die Athleten fühlen sich schneller wieder fit, sodass wir einen höheren Belastungsumfang realisieren können. […] Die Athleten empfinden den Aufenthalt in der Kältekammer als anregende Abwechslung des Trainingsalltags“ (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009, S.41).
Kryotherapie-Erfahrungen von Sportlern: Wo wird die Kältetherapie erfolgreich eingesetzt?
Im Rahmen meiner Recherchen zum Thema Kryotherapie berichteten mir etliche Athleten über ihre Erfahrungen mit Kältetherapie NACH intensiven Trainingseinheiten, Wettkämpfen oder Spielen. So beschrieb Extremhindernisläufer und Mitglied der ASICS Frontrunner Charles Runkle sein Gefühl nach den regelmäßigen Aufenthalten in der Kältekammer bei -110°C in Weißen: „Euphorisch direkt danach. Schmerzen in den Gelenken merkt man dann auch kaum in den nächsten Stunden. Die Durchblutung der Arme und Beine ist auch spürbar höher.“ Auch Europameister und Olympia-Teilnehmer im Gewichtheben Max Lang schwört auf regenerative Behandlungen in der Kältekammer. Er berichtete mir außerdem, dass vor und nach dem Aufenthalt in der Kältekammer Wärmebilder gemacht werden, um danach Schwachstellen und kleinere Verletzungen im Körper aufzuspüren, da der Körper dort am meisten arbeite. „Ich geh 2x die Woche in der Vorbereitungszeit und es tut mir echt gut!“ Da Kältekammern bisher nicht transportabel und dadurch örtlich gebunden sind, zählen auch andere Kälteanwendungen wie Eisbäder zu beliebten regenerativen Maßnahmen bei Sportlern. So baden die Footballer der NewYorker Lions Braunschweig ihre Beine jede Woche bis zur Hüfte für zwei Minuten in Eiswasser, „damit die Beine frisch werden“ (Sebastian Blase) und auch das Deutsche Volleyball-Nationalteam arbeitet viel mit Eiswasser und geht laut Spieler Jan Zimmermann regelmäßig für fünf bis zehn Minuten mit den Beinen ins eiskalte Wasser.
Die entzündungshemmende Wirkung bestätigte mir Freeletics-Athlet und Mitglied des ASICS Training Squads Michael Homann, der nach seiner Wirbelsäulenerkrankung Morbus Bechterew mehrmals pro Woche während seines Kuraufenthalts in der Kältekammer war. „Mir hat das damals sehr geholfen und ich war danach für etwa einen halben Tag komplett schmerzfrei, was für mich sehr toll war. Ob es einen langfristigen Effekt hatte, kann ich nicht beurteilen. Als akute Methode jedoch top.“
Übrigens scheint dies auch die deutsche Nationalelf nach ihren Fußballspielen zu nutzen, wie sich aus dem berühmt-berüchtigten Interview zu Fußball-WM 2014 heraushören lässt.
Die meisten Sportler berichten also von positiven Effekten einer Kryotherapie als regenerative Maßnahme. Gerade im Leistungssport ist das subjektiv empfundene Gefühl von großer Bedeutung, doch was sagt eigentlich die Forschung dazu? 2013 hat Faude in seiner Metaanalyse Kälteanwendungen als Regenrationsmaßnahme untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass neben dem subjektiv verbesserten Wohlbefinden auch eine geringere Müdigkeit sowie weniger Muskelschmerzen nach Kältetherapien zu verzeichnen sind (vgl. Faude, 2013). Extreme Kälte erhöht die Blutzirkulation, sodass es zu einem schnelleren Abbau von toxischen Stoffen und Laktat in der Muskulatur kommt. Kleine Mikrotraumata nach hohen körperlichen Belastungen ähneln Entzündungen, die durch die Kälte (wie bei Coolpax nach Verletzungen und Schwellungen) und eine entsprechend verbesserte Durchblutung gelindert werden. Dadurch erholt sich ein beanspruchter Muskel insgesamt rascher. Außerdem reagiert der Körper auch mit einer Mobilisation von Abwehrkräften und der Ausschüttungen von Endorphinen.
Obwohl bisherige Forschungsergebnisse eindeutig positive Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit gerade im Ausdauerbereich sowie verbesserte Regenerationsprozesse belegen, ist das Forschungsfeld noch recht neu und eine systematische, sportpraktische Anwendung findet bisher nur vereinzelt statt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die uns stets eingetrichterte große Bedeutung einer Erwärmung und auch die negative Besetzung des Begriffs Kälte zu entsprechender Skepsis führen. Um mich selbst aus meinem „Ich-hasse-frieren-und-Kälte-Denken“ zu befreien, wagte ich den Selbsttest im Jenaer Kryotherapiezentrum esquimaux und setzte mich -110°C Kälte aus. Wie es mir dabei erging, erfahrt ihr jetzt.
Kryotherapie Erfahrungen meines Selbsttests bei -110°C in der Kältekammer
Bei meinem ersten Besuch im esquimaux in Jena wurde ich gleich ganz herzlich empfangen. Zunächst kommt man in einen kleinen, freundlichen Empfangsbereich, in dem die Kaffeemaschine schon am brodeln war und mich zwei Mitarbeiter lächelnd begrüßten. Sie erklärten mir kurz, welche Vorteile eine Ganzkörpertherapie bringt und welchen Nutzen sie speziell für mich haben könnte. Ich leide seit mehreren Jahren an chronischen Schmerzen meiner Achillessehne, die selbst nach einer OP und verschiedensten Maßnahmen beinahe täglicher Begleiter meines Alltags sind. Neben den oben erklärten Effekten auf meine Leistungsfähigkeit als Sportlerin und Trainerin sowie eine verbesserte Regenerationsfähigkeit (die ich bei täglichen Fitnesskursen und eigenem Training wirklich immer recht schnell brauche) könne ich also auch von der Schmerzlinderung vor allem bei chronischen Schmerzen profitieren. Das weckte natürlich euphorische Vorfreude bei mir – Jackpot. Ein Mitarbeiter zeigte mir dann eine Art Tonne mit einer Öffnung oben für den Kopf, die dann durch Stickstoff auf -110°C abgekühlt werden sollte. Um mich von meiner aufsteigenden Panik aufgrund der extremen Kälte zu befreien, versicherte er mir, dass sich diese trockene Kälte nicht so eisig anfühlen würde, sich danach noch nie jemand erkältet hätte und die drei Minuten auch schnell herum gingen. Also los: Ab in die Umkleidekabine, in der ich mich komplett nackig machen sollte, inklusive Bauchnabelpiercing, „sonst gibt es um das Metall Eisverbrennungen“ – na toll. Ausgestattet mit Kuschelhausschuhen und einer Decke ging es dann in die Kältetonne, in der ich meine warme Decke gleich wieder abgeben durfte. Während der drei Minuten stand der freundliche Mitarbeiter die ganze Zeit vor mir, sodass ich ihn sehen und mit ihm sprechen konnte. Ich muss sagen, er hat seinen Ablenkungsjob echt gut gemacht, denn ich kleine Frostbeule habe mir den A*** abgefroren und hätte es ohne den Zuspruch wahrscheinlich gar nicht ausgehalten. Als die drei Minuten bei tatsächlich -110°C vorbei waren, bekam ich meine Decke zurück und tappte etwas taumelig aus der Kältebox heraus. Ich konnte zwar weder Arme noch Beine richtig spüren, sondern eher ein Kribbeln wie nach einem langen Winterspaziergang, aber ich war total aufgedreht. Der Mitarbeiter erzählte mir, dass der Körper auf diese Extremsituation mit der Ausschüttung von Endorphinen und anderen Prozessen reagiere – das erklärte mein hibbeliges Verhalten.
Nachdem ich mich dann wieder angezogen hatte und draußen stand, war mir plötzlich gar nicht mehr so kalt wie vor der Behandlung. Ich fühlte mich frisch und munter. Allerdings muss ich sagen, dass ich im Laufe des Tages ständig Heiß-Kalt-Wellen empfand und mich auch sonst irgendwie seltsam fühlte. Erstaunlich war auf jeden Fall, dass sich meine rechte Wade von der Ferse an rötlich färbte und auch Stunden später noch kribbelte, also genau meine problematische und ständig schmerzende Stelle. Man erklärte mir, dass die Durchblutung an angegriffenen und entzündlichen Stellen und gerade der Achillessehne oft gestört sei und dass der Kälteschock wahrscheinlich seit langem mal wieder dazu geführt hat, ordentlich Blut in das Gewebe zu pumpen. Nach zwei Tagen Körperreaktionschaos war dann alles wieder normal und ich fühle mich bis heute top – bisher sogar ohne eine Erkältung oder Infekt, wie ihn sich die meisten meiner Mitmenschen in diesem nassfeuchten Herbst eingefangen haben. Die Erfahrung einer Kryotherapie ist wirklich unvergleichlich und ich bin froh, es ausprobiert haben zu dürfen. In das Kältetherapiezentrum esquimaux kommen sowohl Sportler als auch Rentner sowie Rheumapatienten, die alle auf die heilenden Kräfte der Kälte schwören. Ich muss zugeben, dass ich persönlich wohl nicht so der Mensch des Extremen bin und ich das Gefühl hatte, meinen Körper mit diesem Ganzkörperkälteschock zu überfordern. Ich könnte mir allerdings vorstellen, mit einer lokalen Kryotherapie an meinen chronischen Problemen der Achillessehne zu arbeiten, da mich meine Recherchen und die Forschungsergebnisse wirklich überzeugen.
Autor: Elisa Dambeck – Fitness Professional
Quellen:
- Startfoto by Ilywelyn Nys
- Braun, Kay-P. et. al (2009): Ganzkörperkryotherapie bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Medizinische Klinik (Hrsg.).
- Bundesinstitut für Sportwissenschaft (2009): Bundesrainerforum „DLV-Kältekonferenz“. 1. Auflage. Bonn: Sportverlag Strauß.
- Faude, Oliver (2013): Kälteanwendung. Eine effektive Regenerationsmaßnahme? Münster: Deutscher Fußball-Bund (Hrsg.).
- Metzger, Déborah et. al (2000): Die Bedeutung der Ganzkörperkältetherapie im Rahmen der Rahabilitation mit rheumatischen Erkrankungen. Stuttgart: Georg Thieme.
- Sandkühler, Jürgen (2001): Schmerzgedächtnis. Entstehung, Vermeidung und Löschung. Deutsches Ärzteblatt, Heft 42: S.2715-2730.
Kommentar von Max auf Facebook :
hey guter Artikel 😉 ich hab mich da auch mal eingelesen aber nur hinsichtlich Krafttraining und da muss man sagen, dass da die Ergebnisse ziemlich gemischt sind. Oft werden nur subjektive Verbesserungen festgestellt und wenn nicht, dann sind die Unterschiede meist nur bei Markern, die auf eine Entzündungshemmung oder evtl. noch Schmerzreduktion schließen lassen. Und das ist keineswegs so positiv wie es sich anhört, da die Entzündungsreaktion im Muskel ein wichtiger Signalgeber zur Reperatur ist. Wenn das unterdrückt wird, wird auch ein Teil des Reperaturprozesses unterdrückt. Und ein Schmerz erfüllt ja einen Zweck, nämlich anzuzeigen, dass ein Körperteil beschädigt/nicht voll leistungsfähig ist. Wenn der Schmerz dauerhaft unterdrückt wird, werden auf evtl. beschädigte Strukturen immer neue Reize ausgeübt und das kann zu Verletzungen führen. Das ist genau die gleiche Problemstellung wie mit der dauerhaften Anwendung von Entzündungshemmern/Schmerzmitteln im Sport, aber da ist man sich relativ einig über die negativen Auswirkungen. Und wenn Max Lang das periodenweise anwendet, dann sicher weil er kurzfristige negative Konsequenzen in kauf nimmt um häufiger trainieren zu können. Im Leistungssport werden Gesundheitsfragen ja meist ignoriert.
Wenn jemand anders noch was dazu weiß soll er gerne kommentieren, ich finde hier wird viel zu wenig über fachliches diskutiert ^^
Danke für deinen Kommentar!!! Also tatsächlich habe ich mich ja hauptsächlich mit Ausdauersport und chronischen Verletzungen beschäftigt. Da ist die Studienlage tatsächlich recht eindeutig. Die Aspekte die du gerade angeführt hast sind mir während meiner Recherche gar nicht begegnet. Scheinen aber sehr plausibel!!! Hast du denn Erfahrungen mit genereller Regeneration nach hartem Training gemacht?
@Max Eisinger:
Die negativen Effekte der Schmerzhemmung, die Du beschreibst, betreffen eher falsch dosierte lokale Anwendungen von Kälte wie z.B. Eissprays. Auch soll ja nicht der kurzfristige Effekt der Schmerzhemmung dazu „missbraucht“ werden, um dann den Wettkampf noch bis zum Schluss durchzuhalten. Der Sinn besteht darin, längerfristige Vorgänge zur Regulation der Schmerzverarbeitung in Gang zu setzen. So können z.B. bei Erkrankungen, die die Gelenksysteme betreffen, durch die kälteinduzierte Schmerzlinderung die gelenknahen Muskelpartien besser bewegt werden – so verbessert sich die Nährstoffversorgung des Gelenkknorpels, was wiederum zu einer Erhöhung der Belastungsresistenz führt. Die Funktion des Gelenksystems lässt sich so langfristig verbessern.
Grundsätzlich verbinden sich bei Kälteanwendungen die Ansprüche der Leistungssteuerung mit denen der Regeneration. Und genau dies macht den Einsatz von Kälte sowohl im Bereich des Profisports als auch im Bereich des Freizeitsports interessant. Verschiedene Studien zeigen z.B., dass Kälteanwendungen eine weitgehende Wiederherstellung der sportlichen Leistungsfähigkeit nach hohen sportlichen Belastungen schneller als ohne Kälteapplikation sicherstellen. Die positive Wirkrichtung können dabei viele Studien aufzeigen, eine hohe Varianz in den Studienergebnissen ergibt sich aber dennoch aufgrund schwieriger Ausgangsbedingungen für Studien im Sport (man findet z.B. nur schwer 500 Ringer, die das gleiche Alter und das gleiche Fitnesslevel haben und sich zur gleichen Zeit in eine Kältesauna begeben um dann an demselben Wettkampf teilzunehmen, wie 500 Vergleichs-Ringer, die sich vor dem besagten Wettkampf NICHT in die Kältesauna stellen.) Wie Elisa schon schreibt, sind daher systematische quantitative Studien schwer durchzuführen – daher gibt es aber eben viele Studien mit kleiner Teilnehmerzahl unter Experimentalbedingungen. Was dann stark variiert, ist z.B. das Ausmaß der sportlichen Leistungssteigerung. Das ist von Sportart zu Sportart und auch abhängig vom Fitnesslevel unterschiedlich. Auch sind unterschiedliche Kälteanwendungen unterschiedlich effektiv, z.B. Kühlwesten versus Kältekammer. Ich kann Elisa nur voll zustimmen, dass nach bisheriger wissenschaftlicher Evidenz von einer positiven Wirkrichtung von Kälteanwendungen auszugehen ist. Und auch subjektive Parameter (man fühlt sich gut nach der Kältesauna, man ist abgehärtet etc.) können im Wettkampf kriegsentscheidend sein.